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25 Jahre Bergsteigerhaus im „Ganz“

Vor 25 Jahren wurde im sog. Bergsteigerhaus Ganz der DAV Sektion Berchtesgaden in Strub bei Bischofswiesen Pionierarbeit für den Klettersport geleistet. Im Juni 1992 wurde feierlich die erste DAV-Kletterhalle Deutschlands eröffnet. Der Erfolg des Kletterns in einer Halle, noch dazu in einem Gebiet in dem es an natürlichen Klettermöglichkeiten wahrlich nicht mangelt, wurde von vielen bezweifelt. Das Abenteuer hat sich gelohnt. Die Halle wurde von Jahr zu Jahr besser angenommen und hat die das Klettern in Berchtesgaden und die Jugendarbeit der Sektion enorm belebt. Viele größere und kleinere Kletterhallen folgten dem Beispiel, deutschlandweit gibt es mittlerweile etwa 370 Anlagen über 800 m² Kletterfläche, vor allem in den Ballungsgebieten.

Der damalige Vorstand um Karl Seiberl und Berni Zauner hat viel Weitblick bewiesen und erkannt, dass das Engagement ins Klettern ein Engagement in die Jugend ist. Aufgrund einer Erbschaft der Familie Ganz konnte die Sektion damals das Abenteuer einer Kletterhalle mitten in den Alpen wagen. In den ersten Jahren war die neu gebaute Kletterhalle zwar vor allem ein Trainingsort für die damals noch wenigen Sportkletterer der Sektion, um sich im Winter auf die an den Felswänden der Umgebung vorzubereiten. Das hat sich aber schnell geändert, von Jahr zu Jahr wurden es mehr Kletterer in der verhältnismäßig kleinen, unbeaufsichtigten Halle mit 286 m² Kletterfläche.

In den Folgejahren wurden die Klettermöglichkeiten ständig auf dem neuesten Stand gehalten, 2000 wurde der erste Boulderraum angebaut und 2006 die in die Jahre gekommenen Kletterwände erneuert. Damals platzte die kleine Kletterhalle an vielen Tagen bereits aus allen Nähten. Deshalb entschloss sich der Sektionsvorstand zu einer großen Erweiterung. Am 21. Dezember 2009 wurde das neue Kletterzentrum mit einer weiteren, größeren Kletterhalle und insgesamt ca. 2.000 qm Kletterfläche an die Kletterer übergeben. 2011 kam der zweite Boulderraum dazu. Seither besuchen jährlich 2.000 – 3.000 Kletterer das DAV Kletterzentrum Berchtesgaden im Bergsteigerhaus Ganz. Mit ca. 40.000 Eintritten pro Jahr wurden die Erwartungen der Planung deutlich übertroffen.

Aus den wenigen Kletterern der Anfangsjahre sind alleine in der Sektion Berchtesgaden ca. 1.500 – 2.000 Kletterer geworden, die das Kletterzentrum mehr oder weniger regelmäßig besuchen. Das kann sich sehen lassen. Das Bergsteigerhaus war von Anfang an das Kletterzentrum nicht nur als reine Kletterhalle geplant, sondern als Zentrum der Sektion und der Bergsteiger der Region. Deshalb wurde mit der Erweiterung 2009 auch die Geschäftsstelle der Sektion in das Bergsteigerhaus verlegt. Dadurch ist die Sektion für ihre Mitglieder besser und vor allem länger erreichbar.

Erfreulich ist auch die Entwicklung der Jugendarbeit der Sektion, die mit Erweiterung der Möglichkeiten im Bergsteigerhaus deutlich intensiviert wurde. Heute werden in den Klettergruppen der Sektionsjugend wöchentlich ca. 200 Kinder und Jugendliche in 10 breitensportlich und 4 leistungssportlich orientierten Gruppen von mehr als 20 Klettertrainern betreut. Mit dieser Jugendarbeit hofft die Sektion einen Teil des mit der Erbschaft der Familie Ganz verbundenen Auftrags zu erfüllen. 

Seit Erweiterung der Klettermöglichkeiten wurden die Kletterhallen im Bergsteigerhaus auch regelmäßig für Kletterwettkämpfe genutzt. Bei den regionalen Kletterern haben sich die immer im November stattfindenden „Bergsteigerhaus-Bouldercup“ und das „24-Stunden-Spenden-Klettern“ Kultstatus erworben. Aber auch überregionale Wettkämpfe fanden im Bergsteigerhaus statt. Bereits zweimal wurden die bayerischen Jugendmeisterschaften durchgeführt und als bisherige Höhepunkte 2010 die int. Bergführermeisterschaften und 2016 die Deutsche Meisterschaft im Speedklettern. Ein weiterer Höhepunkt folgt in vier Jahren. Im Rahmen der Mililtär-Weltmeisterschaften (CISM), die 2021 in Deutschland ausgetragen werden, wird das Bergsteigerhaus Austragungsort für die Kletterwettbewerbe sein und damit die internationale Kletterelite begrüßen können.


Geschichte im Hintergrund

Leider liegt der Erbschaft, die die Sektion 1989 von der Familie Ganz bekam ein trauriger Anlaß zugrunde. Der tödliche Absturz ihrer Tochter Margit Ganz an Allerheiligen 1957 in der Untersberg-Südwand. Hier die Geschichte dazu:

Freitag, 1. November 1957

Es ist Allerheiligen, ein schöner warmer Herbsttag. Für viele eine Verlockung, den Bergsommer mit einer schönen Tour abzuschließen. Am frühen Morgen kommen von Freilassing zwei Mädchen mit den Fahrrädern über den Hallthurm um von dort zum Untersberg aufzusteigen. In der Strub holen unterdessen zwei Soldaten der Gebirgsjägerkaserne ein Mädchen (Margit Ganz) in der Nachbarschaft ab, um mit ihr in einer Dreierseilschaft durch die Untersberg-Südwand zu klettern.

Diese fünf jungen Bergsteigerinnen und Bergsteiger haben unabhängig voneinander das gleiche Ziel, das ihnen zum Verhängnis wird: die Untersberg-Südwand-Route. Gegen 13.30 Uhr beobachten Bergsteiger vom Stöhrweg aus, wie aus der Untersberg-Südwand fünf Kletterer wie Perlen an einem Rosenkranz  aufgereiht aus der Wand fallen. Sie stürzen 150 bis 200 Meter in die Tiefe. Den Beobachtungen nach sind sie sofort tot.

Um 18 Uhr treffen die Retter am Fuße der Südwand ein und finden vier der Verunglückten tot auf. Am nächsten Morgen, inzwischen hat sich das Wetter verschlechtert, wird bei Tageslicht die Suche fortgesetzt und die noch vermisste Bergsteigerin schließlich gefunden. Es handelt sich um die 21-jährige Berchtesgadenerin Margrit Ganz, Mitglied der AV-Jungmannschaft. Sie war das einzige Kind der Eheleute Martha und Rudolf Ganz aus der Strub.

Hier beginnt die Geschichte des Bergsteigerhaus Ganz und damit der ersten Alpenvereinskletterhalle in Deutschland. Die Eltern der 1957 verunglückten Margit Ganz blieben ohne weitere Nachkommen und vermachten nach ihrem Tode 1987 der Sektion Berchtesgaden ihr gesamtes Vermögen, verbunden mit dem Wunsch, das Vermögen für die Ausbildung junger Kletterer zu verwenden.

Dieser Wunsch der Familie Ganz, bedingt durch den tragischen Absturz der Tochter, stellte gewissermaßen die ideelle Richtschnur für die Verwendung der Erbschaft dar. Für den damaligen Vorstand der Sektion, insbesondere für den 1. Vorsitzenden Karl Seiberl, ergab sich deswegen die Verpflichtung, mit dem Nachlass einen selbstständigen Fonds der Sektion einzurichten, der vor allem der bergsteigerischen Ausbildung, Fortbildung und Begegnung dienen soll.  Wenn man heute auf die letzten 25 Jahre im Bergsteigerhaus Ganz zurückblickt, ist dies gelungen.